Geschichte

Das Kloster Chorin ist ein Schlüsselwerk der norddeutschen Backsteingotik und ein frühes Beispiel preußischer Denkmalpflege. Baumeister Karl Friedrich Schinkel setzte sich für die Restaurierung der Klosterruine ein.

Die Klosteranlage – ein Rundgang

Das ehemalige Zisterzienserkloster Chorin liegt malerisch hinter dem Weinberg an einem See. Hoch ragen die roten Backsteinmauern empor und können es mit dem alten Baumbestand im Park aufnehmen. Die gotische Formensprache und die filigrane Ornamentierung der großen Dome wie beispielsweise in Köln, Paris und Siena, wurden hier erstmals in Brandenburg in den Backstein transformiert.

Chorin ist daher ein Schlüsselwerk der norddeutschen Backsteingotik. Viele weitere Kirchenbauten der näheren und ferneren Umgebung wurden nach dem Vorbild der Choriner Zisterzienserkirche errichtet. Hier sind die Franziskanerkirchen in Berlin und Angermünde sowie die Marienkirche in Neubrandenburg zu nennen.

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Vorgeschichte & Kloster Mariensee

1258 erfolgte die Gründung des Zisterzienserklosters Mariensee auf dem Parsteinwerder ca. 8 km vom späteren Kloster Chorin entfernt. Es war die Stiftung der brandenburgischen Markgrafen Johann I. und Otto III., die auf der Insel im Parsteiner See das Haus- und Begräbniskloster der Askanier stifteten. In der Stiftungsurkunde, die am 2. September 1258 in Spandau ausgestellt wurde, heißt es:

(…) Deshalb wollen wir jetzt und in Zukunft allen Christgläubigen bekannt machen, dass Wir, entflammt von göttlichem Eifer und in heiliger Erinnerung an Unsere Vorfahren, (…) zur Vergebung Unserer Sünden und um das ewige Leben zu erlangen, zur Ehre Gottes des Allmächtigen und der ruhmreichen Gottesmutter mit Unserem ehrlichem Willen und dem Einverständnis Unserer Nachfolger einen Ort aus unserem Besitz, nämlich die offensichtlich größere, vom Parsteinsee umschlossene )Insel, diesen See selbst und verschiedene andere Inseln (…) mit Bergrücken und Hügeln, vom See umgeben, mit dem Pflug nicht zu bearbeiten und unzugänglich sowie weitere Seen und Sümpfe (…) an den Herrn Abt und die Brüder von Lehnin übergeben und übertragen mit allen uneingeschränkten Rechten und Nutzungen zum Bau einer Abtei des Zisterzienserordens, die nach unserem Beschluss St. Mariensee genannt werden soll. (…) 1

Schon aus der Stiftungsurkunde wird deutlich, dass dieses Gelände nicht sehr günstig für den Betrieb einer Klosteranlage sein würde. Das Gebiet war schwer zu erreichen und Fließgewässer für die Klosterhygiene, Wasserkraft und die entsprechende Trinkwasserversorgung waren nicht vorhanden. Der Ort wurde allem Anschein nach deshalb von den Landesherren gewählt, weil sich hier ein slawischer Ringwall und später eine Burg befanden, die auch von den Askaniern als Turmburg genutzt wurde. Man wollte dem neuen Kloster von Anfang an diese Herrschaftsfunktion zukommen zu lassen. Der Platz war durch den frühren Burgenbau herrschaftlich legitimiert. Schwere Zugänglichkeit, nahe Seen und Sümpfe sind gute Verteidigungsgrundlage für eine Burg, schlechte Vorraussetzungen jedoch für ein Zisterzienserkloster. Daher erfolgte 1273 die Verlegung der Klosteranlage nach Chorin.

1266 fand die Bestattung des Stifters Markgraf Johann I. auf dem Pelitzwerder statt. Später wurde er nach Chorin umgebettet. In dieser Zeit ist auch die Entscheidung für die Verlegung des Klosters Mariensee nach Chorin gefallen. Von 1266 an wurden stückweise die Vorbereitungen für die Verlegung getroffen. Der Abt von Mariensee beantragte die Verlegung beim Generalkapitel in Citeaux. 2 Es erfolgte ein Tausch mit dem wendischen Dorf Ragöse. Dieses verfügte über das Land am Chorin- See, dass die Söhne des Markgrafen Johann I. und die Zisterzienser für den Klosterbau geeigneter fanden. Das Dorf Ragöser erhielt im Gegenzug 32 Hufe Lehensland in Parstein. Im Jahre 1273 bestätigten die Söhne Johann I. , Johann II, Otto IV und Conrad die Verlegung des Klosters an den Chorin- See. Im gleichen Jahr und erneut 1274 bestätigte Papst Gregor X. dem Kloster in Chorin und den dort lebenden Zisterziensern deren Besitztümer. 3 In den folgenden Jahren vermehrte sich der Besitz des Klosters durch Schenkungen und Ankauf verschiedener Ortschaften. Auch der politische Einfluss nahm zu.

1 Gunther Nisch, Urkunden der ehemaligen Zisterzienserabtei Chorin, Teil 1 Askanierzeit 1258 – 1319, in: Choriner Kapitel, Heft 10, S. 17 f.

2 Brandenburgisches Klosterbuch, Bd. 1 , Berlin, be.bra Wiss.-Verl., S. 329 f.

3 Gunther Nisch, Urkunden der ehemaligen Zisterzienserabtei Chorin, Teil 1 Askanierzeit 1258 – 1319, in: Choriner Kapitel, Heft 10, S.58.

Baugeschichte Kloster Chorin

Das älteste Klostergebäude in Chorin dürfte die Klostermühle gewesen sein. Am Chorin-See befanden sich bereits vor der Klostergründung zwei Wassermühlen. Eine der beiden Mühlen wurde von den Zisterziensern ausgebaut und zu einem großen Werkhaus weiterentwickelt. Diese Mühle ist heute noch als Granitsteinruine westlich der Klosteranlage zu erkennen.

Ab 1273 begannen die Choriner Zisterzienser mit dem Bau der Kirche. Der hohe polygonale Chorabschluss war eines der ersten Bauwerke. An der Steinherstellung und der Konzeption, der Planung des Baus waren die Mönche selbst beteiligt. Handwerkliche Tätigkeit war, anders als bei anderen Orden der Zeit, ein zentraler Bestandteil des Alltags der Mönche. Die Selbstversorgung und das Bilden des Gotteshauses waren so wichtig, wie das Chorgebet oder die Messfeier.

Der Ton wurde aus der Umgebung gefördert und in Feldbrennöfen brannte man die Ziegel und Formsteine. Am Chor schloss sich der Bau des Ostflügels an, dann der heute nicht mehr erhaltenen Südflügel und letztlich der Westflügel. Das Pfortenhaus und der hohe Westgiebel, die repräsentative Schauseite der Klosterkirche, entstanden ab 1280. Die Westwand wurde wahrscheinlich im 1300 vollendet. 1 Danach erfolgte mit der Anfügung der westlichen Kirchenhälfte an den vorderen Kirchenbereich, die Schließung der Anlage im Uhrzeigersinn.

Neben dem Ostflügel befand sich im so genanten Abthaus eine Infirmaria, ein Hospital oder Erholungshaus für Kranke. Die Kranken- und Armenpflege sowie die Pflege von Findelkindern waren wesentliche Aufgaben der Zisterzienser. Daher gab es in der Regel verschiedenen Bereiche in- und außerhalb der Klausur, in denen kranke Ordensmitglieder und Pilger je nach Schwere der Krankheit untergebracht wurden.

Nach der Auflösung des Klosters in der Zeit der Reformation 1542 erfolgten verschiedenste Nutzungen. Im 17. Jahrhundert entstand der Verbindungsbau zwischen dem früheren Hospitalbau und der Klausur. Im 18. Jahrhundert diente der Ostflügel als Invalidenhaus. Im ehemaligen Abthaus zog der Amtmann mit seiner Familie ein. So wurden Ostflügel und Abthaus seit der Säkularisierung immer wieder als Wohngebäude genutzt. Seit 2007 wurden diese Gebäude nach und nach als ansprechende Ausstellungsräume den Besuchern zugänglich gemacht. Daher findet der Besucher keine verschlossenen Türen mehr vor. Alle mittelalterlichen Bauten sind zu besichtigen.

Karl Friedrich Schinkel bestand darauf, die Viehwirtschaft aus den Klausurgebäuden auszulagern. Daher entstanden Mitte der 19. Jahrhunderts zahlreiche Stallbauten aus Feldstein, Fachwerk und Ziegelbau im Süden der ehemaligen Klosteranlage. Das heutige Eingangsgebäude mit dem Kassen- und Shop- Bereich ist ein ehemaliger Stall aus dieser Zeit. Hier befinden sich die Verwaltung des Klosters und verschiedene Räume für zusätzliche Ausstellungen, Seminare und museumspädagogische Projekte.

1 Dirk Schumann, Herrschaft und Architektur, Otto IV und der Westgiebel von Chorin., 1997, Lukas Verlag, Berlin, S.60.

Erhaltung & Forschung

Das Kloster Chorin ist ein frühes Beispiel preußischer Denkmalpflege. Die gotische Klosterruine trat ab 1797 wieder in das öffentliche Bewusstsein als der Architekt David Gilly in seinem Reisebericht „über die Land- und Wasserbaukunst Pommerns, Preußens, der Kurmark und der Neumark auf die Bedeutung der Ruine Chorin verwies und auf ihre Einbettung in eine sehr angenehme Landschaft hinwies. Nachhaltig wirkte sich der Einsatz Karl Friedrich Schinkels zum Schutz der Klosteranlage aus. Es ist nicht übertrieben, zusagen, dass die Originalsubstanz des Klosters Chorin heute ohne Karl Friedrich Schinkel nicht in so großem Umfang erhalten wäre.

1810 wurde Schinkel auf Empfehlung Wilhelm von Humboldts zum Geheimen Oberbauassessor der Oberbaudeputation ernannt. In dieser Position hatte Schinkel die Aufgabe, insbesondere den ästhetischen Teil der Baukunst zu bewerten. Er verfasste Gutachten über öffentliche Prachtgebäude und Monumente und über die Erhaltung der öffentlichen Denkmäler und Überreste alter Kunst. Als Schinkel 1816 in Chorin eintraf, fand er neben der gotischen Backsteinarchitektur, marode, zerfallene Gebäudereste auf einem heruntergewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebsgelände. Er fertigte mehrere Zeichnungen an. In einem Schreiben Schinkels an das Finanzministerium heißt es:

Bedeutende Überreste alter Klostergebäude, welche in vieler Hinsicht als Werke deutscher Baukunst merkwürdig sind und besonders in Rücksicht auf Construction mit gebrannten Steinen unserer Zeit als Muster dienen könnten. Alle sind zu ökonomischen Zwecken eingerichtet, und zu dem Ende wurde die schöne große Kirche, welche ihr Gewölbe schon verloren hat, vor mehreren Jahren mit einem neuen Dache versehen und zur Scheune und zum Holzgelass eingerichtet. Bei der Seltenheit solcher Denkmähler in dieser Provinz wird die Erhaltung eines solchen zur Pflicht, und wir ersuchen eine hochlöbliche sechste Generalverwaltung, durch die Regierung den Beamten zu Chorin die Erhaltung aller alten, zum Kloster gehörenden Gebäude gefälligst anempfehlen zu lassen, damit wenigstens willkürliches Einreißen und Verbauen dieser Alterthümer vermieden, und dem Lande der schönste Schmuck solcher Denkmähler nicht entzogen werde, wofür sich die Baubeamten der Provinzen interessieren könnten.

Für Schinkel war die Klosterruine ein Symbol nationaler Kultur und Identität. Des Weiteren diente sie als praktisches Anschauungsobjekt für die Restauratoren. Die Restaurierung war ein völlig neuer Ansatzpunkt. Ob ein Denkmal erhaltenswert war, hing wesentlich von seinem jeweiligen Nutzen ab. Ein Denkmal hatte eine ideelle Funktion, indem es gewisse Eigenschaften und Qualitäten der Vergangenheit repräsentierte. Chorin erfüllte diese politische Funktion zur Identitätsstiftung und Auslösung nationaler Gefühle. Nach der Begutachtung Chorins forderte Schinkel 1817 den damaligen Pächter des ehemaligen Klosterareals Wilhelm Nobbe auf, die Schweine aus der Kirche zu entfernen. Nachdem Nobbe dieser Aufforderung nicht nachkam, ließ der Landrat das Gebäude zwangsräumen. Der Pächter Wilhelm Nobbe vertrat die Ansicht, dass nur durch eine intensive Nutzung die Gebäude erhalten werden könnten.

Im Oktober 1823 stattete die königliche Familie Chorin einen Besuch ab. Das Entsetzen über den Verfall und die Verwahrlosung war groß. Besonderen Anstoß erregte die Profanierung der Kirche, die einst die Begräbnisstätte der askanischen Markgrafen gewesen war. Der Kronprinz (späterer König Friedrich Wilhelm IV.) zeigte sich fasziniert von der gotischen Architektur. Er zeichnete die Klosterruine und nahm die Maße auf. Nach diesem Besuch nahm das Interesse der Regierung in Potsdam an Chorin spürbar zu.

Das wichtigste Ziel war die Freistellung der alten Klosterkirche. Die direkt an den Chor angebauten Stallungen der Schäferei wurden abgetragen und die für den landwirtschaftlichen Betrieb notwendigen Gebäude südlich vom Kloster an der Straße nach Angermünde neu errichtet. Im Westflügel musste die Schnapsbrennerei aus dem neben der Kirche gelegenen Fürstensaal entfernt und an das Südende des Gebäudes verlegt werden.“ Das erstarkte Nationalbewusstsein bewirkte eine intensivere Auseinandersetzung mit den Vorgängern der Hohenzollern, den askanischen Markgrafen von Brandenburg. Zumal sich der Herrschaftsanspruch für das Königreich Preußen auch auf die askanische Markgrafschaft Brandenburg begründete.

1827 konnte man mit der Restaurierung beginnen. Nach mehreren Auseinandersetzungen zwischen Nobbe und dem zuständigen königlichen Beamten verlängerte man den Pachtvertrag nicht. Im Juni 1831 wurde Peter Hinrich Meyer neuer Pächter von Chorin. Meyer plante die Einbettung der Klosteranlage in einen Landschaftspark. Ganz dem Ideal der Romantik verpflichtet. Dazu wandte er sich an den berühmtesten Landschaftsgestalter Peter Joseph Lenne. Dieser entwarf einen Plan für die Choriner Anlage im Jahr 1832.